Krank und trotzdem im Büro? Für viele klingt das nach Pflichtgefühl, für andere nach Wahnsinn. Doch was gilt eigentlich wirklich? Darfst du trotz Krankschreibung arbeiten – oder riskierst du damit Ärger, Krankheitstage, sogar deinen Versicherungsschutz? Und wie geht dein Unternehmen damit um, wenn du dich fit fühlst, aber offiziell als arbeitsunfähig giltst? In diesem Artikel räumen wir mit Mythen auf, beleuchten rechtliche Hintergründe, zeigen Risiken auf und liefern praktische Antworten – für dich als Arbeitnehmer*in, aber vor allem auch für Unternehmer, die zwischen Verantwortung, Fürsorge und betrieblichem Alltag abwägen müssen.
Problemstellung für Unternehmer (Zielgruppe)
Was tun, wenn Mitarbeitende trotz Krankschreibung wieder arbeiten wollen – sei es im Homeoffice oder vor Ort? Zwischen betrieblicher Notwendigkeit und gesundheitlicher Verantwortung geraten viele Unternehmer in eine rechtliche und menschliche Grauzone. Denn: Wer eine krankgeschriebene Person arbeiten lässt, riskiert im Ernstfall die eigene Fürsorgepflicht zu verletzen. Gleichzeitig herrscht Unsicherheit, was rechtlich erlaubt ist, wann ärztliche Abklärung nötig wird – und wie man auf Präsentismus klug reagiert, ohne Druck auszuüben.
Die zentrale Frage lautet also:
Wie gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema „Arbeiten trotz Krankschreibung“ – rechtssicher, menschlich und betrieblich sinnvoll?
1. Was bedeutet „Arbeiten trotz Krankschreibung“ wirklich?
Der Begriff klingt auf den ersten Blick widersprüchlich – „krankgeschrieben“ und „arbeiten“ in einem Satz? Doch genau das passiert täglich in vielen Unternehmen: Menschen, die vom Arzt als arbeitsunfähig eingestuft wurden, fühlen sich nach ein, zwei Tagen wieder fit – und greifen zum Laptop oder erscheinen sogar im Büro. Andere wiederum schleppen sich trotz Grippesymptomen oder Rückenschmerzen direkt zur Arbeit, ohne je einen Arzt aufzusuchen. Das hat einen Namen: Präsentismus.
Doch bevor wir uns den Folgen widmen, ist eins wichtig zu verstehen: Eine Krankschreibung ist keine Arbeitssperre, sondern eine Prognose. Wenn ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, dann geht er davon aus, dass die Person in den kommenden Tagen oder Wochen nicht arbeitsfähig ist – basierend auf dem Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Untersuchung.
Trotzdem ist niemand gesetzlich daran gehindert, wieder früher ins Berufsleben zurückzukehren – vorausgesetzt, die Tätigkeit gefährdet die Gesundheit nicht. Damit ist auch klar: Arbeiten trotz Krankschreibung kann in bestimmten Situationen völlig legal, unproblematisch und sogar sinnvoll sein – solange alle Beteiligten mit Bedacht handeln.
Typische Situationen, in denen das passiert:
Ein Mitarbeiter hat sich das Knie verdreht, kann aber problemlos vom Homeoffice aus arbeiten.
Eine Führungskraft fühlt sich nach drei Tagen grippalem Infekt wieder fit, die AU läuft aber noch bis zum Wochenende.
Eine Teilzeitkraft mit Migräne meldet sich vorsorglich krank, ist aber am Nachmittag wieder belastbar und übernimmt administrative Aufgaben.
Warum das Thema so relevant ist:
Weil es zunehmend Alltag ist. In einer Arbeitswelt, in der Homeoffice und Remote Work flexibler möglich sind, verschwimmen die Grenzen zwischen „krank“ und „nicht einsatzfähig“. Die Realität ist oft nicht schwarz-weiß – es gibt viele „graue“ Verläufe, bei denen Mitarbeitende teilweise einsatzfähig sind, obwohl noch eine Krankschreibung vorliegt.
Die Herausforderung liegt darin, zwischen Engagement und Selbstgefährdung zu unterscheiden – und für Unternehmen: zwischen Verantwortungsgefühl und rechtlicher Verantwortung.
2. Rechtliche Grundlagen: Was ist erlaubt – und was nicht?
Der rechtliche Rahmen rund um das Thema „Arbeiten trotz Krankschreibung“ ist überraschend klar – auch wenn im Alltag viele Unsicherheiten bestehen. Entscheidend ist: Eine Krankschreibung ist keine Verpflichtung zur Arbeitsverweigerung, sondern lediglich eine ärztliche Prognose über die (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit. Und Prognosen können sich ändern – zum Beispiel, wenn man sich schneller erholt als gedacht.
✅ Das ist erlaubt:
Arbeiten trotz Krankschreibung ist grundsätzlich erlaubt. Wer sich gesundheitlich in der Lage fühlt, darf auch während einer laufenden Krankschreibung wieder arbeiten – ob im Büro oder im Homeoffice.
Es ist keine „Gesundschreibung“ nötig. Der Arzt muss nicht erneut bestätigen, dass du wieder arbeitsfähig bist, wenn du dich fit fühlst. Eine offizielle „Rückmeldung“ beim Arzt ist nur bei gesetzlich geregelten Arbeitsverboten (z. B. Infektionsschutz) notwendig.
Du bist versichert. Auch bei einem Arbeitsunfall während der Zeit einer Krankschreibung greift der gesetzliche Versicherungsschutz – egal ob du offiziell noch „arbeitsunfähig“ bist.
❌ Das ist nicht erlaubt:
Du darfst die Krankschreibung nicht verheimlichen. Wenn du während einer laufenden AU wieder arbeiten willst, musst du den Arbeitgeber informieren. Es ist keine gute Idee, einfach zu erscheinen oder im Homeoffice „mitzuarbeiten“, ohne dass dein Arbeitgeber Bescheid weiß.
Arbeiten trotz Infektionskrankheit oder bei gesetzlichem Beschäftigungsverbot ist verboten. Das betrifft etwa meldepflichtige Krankheiten (z. B. Covid-19, Norovirus), aber auch Schwangerschaftskomplikationen. Hier kann es nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch strafrechtlich heikel werden.
Arbeitgeber dürfen nicht einfach sagen: „Dann komm halt trotzdem.“ Sie haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Wenn sie wissen, dass eine Mitarbeiterin krankgeschrieben ist, müssen sie abwägen, ob ein Einsatz verantwortbar ist. Im Zweifel kann eine betriebsärztliche Einschätzung notwendig werden.
Eine häufige Missverständnis:
Viele denken, man sei „nicht versichert“, wenn man trotz AU arbeitet. Das ist falsch. Die gesetzliche Unfall- und Krankenversicherung gilt auch während einer Krankschreibung – solange die Tätigkeit freiwillig erfolgt und keine gesetzliche Arbeitspflicht verletzt wird.
3. Typische Irrtümer rund um Krankschreibung und Arbeit
Ob im Kollegenkreis, auf Social Media oder am Küchentisch – rund um das Thema „Arbeiten trotz Krankschreibung“ kursieren viele Halbwahrheiten. Höchste Zeit, ein paar dieser Mythen aufzuklären. Denn: Fehlendes Wissen kann sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmer unangenehme Folgen haben.
Irrtum 1: „Man darf während der Krankschreibung gar nicht arbeiten“ Stimmt nicht. Eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot. Sie signalisiert lediglich, dass der Arzt aktuell nicht davon ausgeht, dass du arbeitsfähig bist. Wenn du dich aber besser fühlst, darfst du wieder arbeiten – vorausgesetzt, du informierst deinen Arbeitgeber und es besteht kein Beschäftigungsverbot.
Irrtum 2: „Ich muss erst vom Arzt gesundgeschrieben werden“
Auch das ist falsch. Es gibt im deutschen Arbeitsrecht keine gesetzlich vorgeschriebene „Gesundschreibung“. Du brauchst also kein neues Attest, das deine Arbeitsfähigkeit bestätigt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn dein Arbeitgeber aus Gründen der Fürsorgepflicht eine Rückmeldung vom Betriebsarzt verlangt – etwa bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten.
Irrtum 3: „Wer trotz Krankschreibung arbeitet, verliert den Versicherungsschutz“
Ein weit verbreiteter Mythos – aber auch er ist unzutreffend. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz bleibt bestehen, auch wenn du während einer bestehenden Krankschreibung wieder arbeitest. Wichtig ist nur, dass die Rückkehr freiwillig erfolgt und du den Arbeitgeber informierst.
Irrtum 4: „Wenn ich wieder krank werde, habe ich selbst Schuld“
Nein. Krankheit verläuft individuell. Wenn du dich zwischendurch fit fühlst und wieder arbeitest, darfst du dich selbstverständlich erneut krankschreiben lassen, wenn sich dein Zustand wieder verschlechtert. Niemand kann den Verlauf einer Genesung exakt vorhersagen – auch Ärzt*innen nicht.
Irrtum 5: „Wenn ich im Homeoffice bin, zählt das nicht als Arbeiten“
Doch, tut es. Auch wer zu Hause „mal schnell E-Mails checkt“ oder eine Stunde an einem Bericht schreibt, während er offiziell krankgeschrieben ist, arbeitet im rechtlichen Sinn. Das kann relevant sein – etwa bei der Abrechnung von Krankheitstagen, dem Versicherungsschutz oder im Falle eines Unfalls.
4. Präsentismus im Unternehmen: Ursachen, Folgen und Zahlen
Wenn Mitarbeitende krank zur Arbeit kommen, obwohl sie besser zu Hause bleiben sollten, nennt man das Präsentismus. Was viele nicht wissen: Dieses Phänomen ist mindestens genauso problematisch wie häufige Krankmeldungen – und kostet Unternehmen langfristig sogar mehr. Die Gründe dafür sind komplex und tief verwurzelt in der Unternehmenskultur.
Was ist Präsentismus?
Präsentismus bedeutet: Menschen erscheinen zur Arbeit oder arbeiten im Homeoffice, obwohl sie gesundheitlich nicht voll einsatzfähig sind – oft mit der Hoffnung, „es wird schon irgendwie gehen“. Es geht also nicht um Arbeitsverweigerung, sondern um übermäßiges Pflichtbewusstsein, Angst oder sogar ein verzerrtes Selbstbild.
Warum passiert das so häufig?
Laut einer aktuellen Erhebung gaben 63 % der Beschäftigten in Deutschland an, mindestens einmal im Jahr trotz Krankheit gearbeitet zu haben. Die häufigsten Gründe:
Angst, den Job zu gefährden
Mangelnde Vertretung im Team
Loyalität gegenüber Kolleg*innen
Leistungsdruck oder Zielvorgaben
Unsicherheiten über die „richtige“ Krankheitsdauer
Die Folgen für Unternehmen
Was gut gemeint ist, kann teuer werden:
Produktivitätsverlust: Wer krank arbeitet, macht häufiger Fehler und arbeitet langsamer – ein klassischer „leiser Verlust“.
Ansteckungsgefahr: Bei Infekten kann eine einzelne Person ganze Teams außer Gefecht setzen.
Chronifizierung: Unausgeheilte Erkrankungen ziehen sich länger hin und führen häufiger zu Rückfällen.
Demotivation: Wenn der Eindruck entsteht, dass man sich krank „nicht leisten darf“, leidet langfristig das Betriebsklima.
Typisches Beispiel:
Eine Buchhalterin mit Magen-Darm-Infekt arbeitet trotzdem im Homeoffice. Eine Woche später sind zwei Kolleg*innen ebenfalls krank – auch sie hatten telefonischen Kontakt. Im Endeffekt fallen drei Personen aus – länger und schwerer, als wenn die erste sich gleich auskuriert hätte.
5. 7 Tipps für Mitarbeitende, die trotz Krankschreibung arbeiten wollen
Du fühlst dich schneller wieder fit als gedacht und überlegst, ob du – trotz laufender Krankschreibung – wieder ins Berufsleben einsteigen solltest? Dann ist das möglich, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese 7 Tipps helfen dir, verantwortungsvoll und rechtlich abgesichert zu handeln.
1. Sprich mit deinem Arbeitgeber – offen und ehrlich
Transparenz ist das A und O. Teile mit, dass du offiziell noch krankgeschrieben bist, dich aber fit genug fühlst, um wieder zu arbeiten. So vermeidest du Missverständnisse und gibst deinem Arbeitgeber die Möglichkeit, Fürsorgepflicht und rechtliche Vorgaben zu erfüllen.
2. Kläre, ob dein Arbeitsplatz gesundheitsneutral ist
Nicht jede Tätigkeit eignet sich zum „Wiedereinstieg light“. Wenn dein Job körperlich fordernd ist oder ein Risiko für deine Genesung darstellt, solltest du abwarten. Gleiches gilt bei Tätigkeiten, bei denen Fehler zu gefährlichen Situationen führen könnten (z. B. Maschinen, Fahrzeuge, Medizin).
3. Ziehe das Homeoffice in Betracht
Wenn möglich, starte mit leichten Aufgaben von zu Hause aus. Das reduziert Stress, Ansteckungsrisiken und gibt dir die Möglichkeit, Pausen flexibel einzuteilen. Auch mentale Entlastung kann ein entscheidender Faktor sein.
4. Achte auf deine Belastungsgrenze
Nur weil du dich etwas besser fühlst, heißt das nicht, dass du voll leistungsfähig bist. Starte mit geringerer Intensität, achte auf Pausen – und höre auf deinen Körper. Setze dich nicht unter Druck, „100 % zu liefern“.
5. Hole dir medizinischen Rat, wenn du unsicher bist
Dein Hausarzt kennt deine Krankheitsgeschichte und kann einschätzen, ob ein vorzeitiger Wiedereinstieg sinnvoll ist. Auch wenn keine „Gesundschreibung“ nötig ist – ein kurzes ärztliches Feedback kann Sicherheit geben.
6. Lass dir nichts aufzwingen
Wenn du offiziell krankgeschrieben bist, darf dich niemand zum Arbeiten drängen – auch nicht unterschwellig. Die Entscheidung, wieder zu arbeiten, liegt bei dir. Du darfst die Zeit zur Genesung vollständig ausschöpfen.
7. Halte dich an medizinische Empfehlungen
Keine körperliche Belastung? Kein Stress? Kein Bildschirm? Wenn der Arzt bestimmte Vorgaben gemacht hat, solltest du sie unbedingt beachten – unabhängig davon, wie du dich aktuell fühlst. Genesung ist kein Wettlauf.
6. Praxisbeispiel: Zwischen Pflichtgefühl und Fürsorge Die Situation:
In einem mittelständischen IT-Unternehmen wurde die Projektleitung einer internationalen Software-Einführung krankgeschrieben – akuter Infekt, hohes Fieber, starke Erschöpfung. Die Diagnose: drei Tage vollständige Ruhe. Das Problem: Der Go-Live des Projekts steht unmittelbar bevor, die Kund*innen warten auf Rückmeldung, und das Team ist stark ausgelastet. Zwei Tage später meldet sich die betroffene Person per Mail: „Ich fühle mich wieder besser, wenn ihr mich braucht, kann ich aus dem Homeoffice unterstützen.“
Das Dilemma:
Der Abteilungsleiter ist dankbar – aber auch vorsichtig. Einerseits freut er sich über die Einsatzbereitschaft, andererseits weiß er um seine Verantwortung: Eine krankgeschriebene Mitarbeiterin arbeiten zu lassen, könnte rechtliche und gesundheitliche Risiken bergen – insbesondere, wenn sich der Zustand doch wieder verschlechtert. Er ruft sie an und spricht offen mit ihr. Gemeinsam überlegen sie: Wie kann sie sich langsam wieder einklinken, ohne sich zu überfordern?
Die Lösung:
Die Mitarbeiterin erhält gezielt kleinere Aufgaben, die keine hohe Konzentration erfordern.
Sie entscheidet täglich selbst, ob sie sich belastbar fühlt.
Nach drei Tagen ist die AU offiziell beendet – sie steigt wieder voll ein, ohne Rückschlag.
Die Erkenntnis:
Das Beispiel zeigt, wie viel sich durch offene Kommunikation, Vertrauen und Augenmaß lösen lässt. Weder wurde die Person zum Arbeiten gedrängt, noch wurde ihr Engagement sofort in Anspruch genommen. Es ging nicht darum, die letzten Leistungsreserven zu mobilisieren – sondern darum, den Übergang klug zu gestalten. Und das funktioniert nur, wenn Arbeitgeber nicht in Aktionismus verfallen, sondern Fürsorge ernst nehmen.
7. Was Unternehmen tun können, um Präsentismus vorzubeugen
Wer krank zur Arbeit kommt, riskiert nicht nur die eigene Gesundheit, sondern langfristig auch den Erfolg des gesamten Teams. Trotzdem ist Präsentismus weit verbreitet – oft nicht aus Pflichtbewusstsein allein, sondern auch aus mangelnden Strukturen oder Unsicherheit. Unternehmen haben hier eine klare Verantwortung. Es geht nicht nur um das Erlaubte, sondern vor allem um das Richtige.
1. Unternehmenskultur kritisch hinterfragen
Wie wird mit Krankheit im Alltag umgegangen? Wird Abwesenheit als Belastung oder als Selbstverständlichkeit akzeptiert? Haben Mitarbeitende das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen? Wer eine gesunde Fehler- und Erholungskultur fördert, sorgt dafür, dass Mitarbeitende sich trauen, wirklich krank zu sein – ohne schlechtes Gewissen.
2. Führungskräfte sensibilisieren
Viele Signale gehen von Vorgesetzten aus – ob bewusst oder unbewusst. Wer selbst immer „trotz Erkältung durchzieht“, sendet indirekt die Botschaft: Krank ist keine Option. Schulungen, Austauschformate oder klare interne Leitlinien helfen, dieses Verhalten zu reflektieren und Alternativen zu entwickeln.
3. Flexible Arbeitsmodelle ermöglichen
Homeoffice, Gleitzeit oder angepasste Aufgaben bei leichter Erkrankung können helfen, gesundheitsfördernd zu arbeiten – wenn Mitarbeitende sich fit fühlen, aber noch nicht voll belastbar sind. Wichtig ist: Freiwilligkeit statt Erwartung.
4. Klare Kommunikation schaffen
Was ist erlaubt? Was wird erwartet? Was wird ausdrücklich nicht erwartet? Je klarer die Spielregeln, desto sicherer fühlen sich Mitarbeitende – und desto geringer ist das Risiko, aus Unsicherheit falsch zu handeln. Eine gute Orientierung bieten z. B. kurze FAQ-Dokumente oder Leitfäden zum Umgang mit Krankschreibung.
5. Den Betriebsarzt einbinden
Gerade bei wiederholtem Präsentismus, unklarer Belastbarkeit oder sicherheitsrelevanten Tätigkeiten kann der Betriebsarzt als neutrale Instanz unterstützen. Seine Einschätzung schützt nicht nur die Gesundheit der betroffenen Person – sondern auch das Unternehmen vor Fehlentscheidungen.
6. Psychische Gesundheit ernst nehmen
Erschöpfung, innere Unruhe, Schlafprobleme – viele Mitarbeitende erscheinen körperlich „fit“, sind aber mental längst überlastet. Wer hier frühzeitig aufklärt, Angebote schafft (z. B. Employee Assistance Programme) und offen über Grenzen spricht, reduziert Präsentismus – bevor er zum Problem wird.
8. Fazit: Zwischen Eigenverantwortung und Arbeitgeberpflicht
Arbeiten trotz Krankschreibung ist kein Schwarz-Weiß-Thema. Es ist rechtlich erlaubt, kann sinnvoll sein – aber auch Risiken bergen. Die Entscheidung liegt letztlich bei jedem Einzelnen, muss aber immer im Zusammenspiel mit dem Arbeitgeber getroffen werden. Denn: Nur wer ehrlich kommuniziert, Verantwortung übernimmt und gesundheitliche Grenzen respektiert, schützt sich selbst – und andere.
Für Mitarbeitende heißt das:
Wenn du dich wirklich wieder arbeitsfähig fühlst und deine Tätigkeit die Genesung nicht gefährdet, darfst du arbeiten. Aber niemand darf dich dazu drängen – weder direkt noch durch unterschwellige Erwartungen. Gesundheit geht vor.
Für Unternehmen heißt das:
Verantwortungsvolle Führung erkennt Präsentismus als Warnsignal. Sie schafft eine Kultur, die nicht auf Anwesenheit um jeden Preis setzt, sondern auf Vertrauen, Flexibilität und klare Kommunikation. Wer Fürsorge lebt, gewinnt langfristig – durch gesunde, engagierte und loyale Teams.
Und manchmal ist es genau das: ein Gespräch, ein „Bleib ruhig noch zuhause“ oder ein offenes Ohr, das den Unterschied macht. Denn Arbeit ist wichtig – aber Gesundheit ist die Voraussetzung dafür, dass sie gelingt.
Weitere Informationen zum Thema:
FAQ: Arbeiten trotz Krankschreibung – Rechte, Risiken und Empfehlungen
Darf man trotz Krankschreibung arbeiten gehen, wenn man sich wieder fit fühlt?
Ja, grundsätzlich darfst du während einer Krankschreibung wieder arbeiten, wenn du dich gesundheitlich dazu in der Lage fühlst. Eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot, sondern lediglich eine medizinische Einschätzung zum Zeitpunkt der Untersuchung. Sobald du dich ausreichend erholt fühlst, kannst du eigenverantwortlich entscheiden, ob und in welchem Umfang du wieder arbeiten möchtest. Wichtig ist jedoch, deinen Arbeitgeber darüber zu informieren – und darauf zu achten, dass deine Tätigkeit die Genesung nicht gefährdet.
Muss ich eine Krankschreibung beenden lassen, bevor ich wieder arbeite?
Nein, eine formelle „Gesundschreibung“ ist nicht erforderlich. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Pflicht, die Rückkehr zur Arbeit ärztlich bestätigen zu lassen. Ausnahme: Der Arbeitgeber kann im Rahmen seiner Fürsorgepflicht eine betriebsärztliche Einschätzung verlangen, wenn Zweifel an der Einsatzfähigkeit bestehen – insbesondere bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten. Für dich heißt das: Du darfst ohne neue Bescheinigung wieder arbeiten, solltest aber ehrlich mit dir selbst und deinem Gesundheitszustand umgehen.
Ist mein Versicherungsschutz gewährleistet, wenn ich trotz Krankschreibung arbeite?
Ja, dein gesetzlicher Unfall- und Krankenversicherungsschutz bleibt bestehen, auch wenn du während einer bestehenden Krankschreibung wieder arbeitest. Voraussetzung ist, dass du dies freiwillig tust und dein Arbeitgeber über deine Rückkehr informiert ist. Im Falle eines Arbeitsunfalls gelten dieselben Regelungen wie bei gesunden Beschäftigten. Wichtig ist, dass du keine gesundheitlich riskanten Tätigkeiten übernimmst, die deiner Genesung schaden oder andere gefährden könnten.
Was gilt bei ansteckenden Krankheiten oder gesetzlichen Beschäftigungsverboten?
Bei bestimmten Erkrankungen – z. B. meldepflichtigen Infektionen wie Covid-19, Norovirus oder Masern – darfst du auch dann nicht arbeiten, wenn du dich wieder besser fühlst. Gleiches gilt bei Beschäftigungsverboten, etwa in der Schwangerschaft oder bei besonders gefährdeten Tätigkeiten. Hier greift der gesetzliche Schutz für dich und andere. Auch Homeoffice kann in solchen Fällen ausgeschlossen sein, je nach behördlichen oder medizinischen Vorgaben.
Welche Pflichten habe ich als Arbeitnehmer, wenn ich trotz Krankschreibung wieder arbeiten möchte?
Du musst deinem Arbeitgeber mitteilen, dass du offiziell krankgeschrieben bist und freiwillig wieder arbeiten möchtest. Verschweigen darfst du die bestehende Krankschreibung nicht – auch wenn du im Homeoffice arbeitest. Dein Arbeitgeber muss wissen, in welchem gesundheitlichen Zustand du dich befindest, um seine Fürsorgepflicht wahrzunehmen. Nur so kann im Zweifel eine Risikoabwägung erfolgen – zum Beispiel, ob eine Rücksprache mit dem Betriebsarzt notwendig ist.
Was ist Präsentismus – und warum ist er problematisch?
Präsentismus beschreibt das Verhalten, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen oder zu arbeiten, obwohl man sich eigentlich noch nicht vollständig erholt hat. Dieses Verhalten ist weit verbreitet und wird oft aus Pflichtgefühl, Angst oder durch hohe Arbeitsbelastung ausgelöst. Langfristig ist Präsentismus jedoch schädlich: Er verzögert die Genesung, erhöht das Risiko für Fehler und kann zu chronischen Erkrankungen oder Burnout führen. Unternehmen leiden unter verdecktem Produktivitätsverlust und erhöhten Folgekosten durch wiederkehrende Ausfälle.
Wie sollten Führungskräfte reagieren, wenn Mitarbeitende trotz Krankschreibung arbeiten wollen?
Führungskräfte stehen hier in einer sensiblen Verantwortung. Einerseits sollten sie die Einsatzbereitschaft anerkennen, andererseits müssen sie ihre gesetzliche Fürsorgepflicht ernst nehmen. Wichtig ist: Das Arbeiten trotz Krankschreibung darf niemals erwartet oder subtil eingefordert werden. Führungskräfte sollten offen mit Mitarbeitenden sprechen, Belastungsgrenzen respektieren und im Zweifel ärztliche Einschätzungen einholen. Klare Kommunikation und ein respektvoller Umgang sind essenziell.
Gibt es Situationen, in denen krank arbeiten sinnvoll ist?
Ja – insbesondere dann, wenn die Erkrankung keine Auswirkung auf die jeweilige Tätigkeit hat oder der Heilungsprozess durch leichtes Arbeiten nicht beeinträchtigt wird. Beispiele wären: Eine Fußverletzung bei einer Bürokraft im Homeoffice oder leichte Erkältungssymptome bei jemandem ohne Ansteckungsgefahr. Voraussetzung ist immer, dass sich die Person wirklich arbeitsfähig fühlt und die Rückkehr freiwillig erfolgt.
Wie erkenne ich, ob ich wirklich wieder arbeitsfähig bin?
Eine objektive Selbsteinschätzung ist entscheidend. Anzeichen, dass du noch nicht arbeitsfähig bist, können anhaltende Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, körperliche Einschränkungen oder starke Medikamente sein. Wenn du Zweifel hast, hole ärztlichen Rat ein. Und: Nur weil du wieder aufstehen kannst, heißt das nicht automatisch, dass du acht Stunden konzentriert arbeiten solltest – dein Körper braucht Zeit zur vollständigen Regeneration.
Dürfen Unternehmen Mitarbeitende zur Rückkehr zwingen, obwohl eine Krankschreibung vorliegt?
Nein. Eine Krankschreibung bedeutet rechtlich, dass du arbeitsunfähig bist – und Arbeitgeber dürfen dich in dieser Zeit nicht zur Arbeit verpflichten oder unter Druck setzen. Das gilt auch für subtile Signale wie „Es wäre gut, wenn du dich trotzdem meldest“. Die Rückkehr muss von dir selbst ausgehen. Der Arbeitgeber darf dich aber auch ablehnen, wenn er Zweifel an deiner Arbeitsfähigkeit hat – z. B. im Sinne des Arbeitsschutzes.